Buenos Aires ist nicht nur die Hauptstadt von Argentinien, sondern auch das kulturelle, politische und wirtschaftliche Zentrum des Landes. Rund drei Millionen Menschen leben innerhalb der Stadtgrenze, inklusive Umland sind es sogar dreizehn Millionen. Dementsprechend gibt es hier viel zu sehen, mehr als man an einem Tag bzw. mit einer Tour erkunden kann. Deshalb hab ich mich an zwei unterschiedlichen Tagen mit Buenos Aires Free Walks daran gemacht, diese Stadt näher kennen zu lernen.

Was hier in der Stadt als erstes auffällt – die Straßen sind nach einem Schachbrettmuster organisiert, was die Navigation zu Fuß sehr einfach macht. Mit dem Auto ist das schon ein wenig komplizierter, da ein Großteil der Straßen Einbahnen sind. An den Ecken der rund 100 Mal 100 Meter messenden Blöcke finden sich oft Minimärkte, die auch spät Nachts noch geöffnet sind.
Mitten durch die Innenstadt verläuft die Avenida 9 de Julio, eine der Hauptverkehrsadern. Der Bau dieser, nach dem argentinischen Unabhängigkeitstag benannten Prachtstraße, wurde 1935 begonnen, der letzte Teil wurde 1980 fertiggestellt. Um Platz für die Straße zu schaffen wurden knapp 40 Häuserblocks abgerissen. Die Straße ist rund 140m breit, inklusive eigener Spuren für die Stadtbusse. Somit gilt sie als die breiteste Straße der welt. Zum überqueren muss man mindestens zwei Grünphasen einplanen, es gibt aber ausreichend Verkehrsinseln zum warten.

Natürlich befinden sich entlang der Avenida 9 de Julio auch etliche Sehenswürdigkeiten. So etwa der Obelisk von Buenos Aires, der im Jahr 1936 zum 400 Jahr Jubiläum der Stadtgründung errichtet wurde. Oder das bekannteste Opernhaus der Stadt, das Teatro Colón. Die Theatersaison startet im März, bis dahin wird das Gebäude als COVID Test- und Impfstation genutzt.

Gekreuzt wird die Avenida 9 de Julio von einer weiteren Prachtstraße, der Avenida de Mayo. An deren Ende liegt der Plaza de Mayo, der Hauptplatz der Stadt. Hier hat nicht nur der Präsident Argentiniens seinen Amtssitz, man findet auch die Kathedrale, das Rathaus sowie die Nationalbank. Gleichzeitig ist der Plaza de Mayo regelmäßig Schauplatz von Protesten, Demonstrationen und Kundgebungen. Da diese nicht immer friedlich verlaufen sind alle Regierungsgebäude eingezäunt.





Rund zwei Kilometer westlich befindet sich ein weiteres imposantes Gebäude, der argentinische Nationalkongress. Hier versehen die argentinischen Abgeordneten sowie der Senat ihren Dienst.

Auf dem Weg dorthin passiert man unzählige weitere Bauten, die man so sicherlich auch in europäischen Städten finden kann. Ein Gebäude das dennoch heraussticht ist der Palacio Barolo. Heute ein prestigeträchtiges Bürogebäude, früher das höchste Gebäude in ganz Südamerika. Das 100 Meter hohe Haus ist dabei ganz nach der Göttlichen Komödie von Dante Alighieri ausgerichtet. Keller und Erdgeschoss bilden die Hölle nach, die Stockwerke 1 bis 14 das Fegefeuer. Ab Stockwerk 15 ist man im Himmel angelangt, allerdings gibt es keine Aufzüge die aus dem Erdgeschoß direkt dahin führen – im 14. Stock heisst es umsteigen. Gekrönt wird das ganze von einem Leuchtturm, den man angeblich noch im benachbarten Uruguay sehen kann.

Ein paar Kilometer weiter nördlich im Stadtteil Recoleta findet man den gleichnamigen Friedhof – Cementerio de la Recolecta. Hier ruhen einige der wichtigsten Figuren der argentinischen Geschichte in imposanten Grabmälern. Unter ihnen auch Eva Perón, die ehemalige First Lady Argentiniens. War ihr kurzes Leben bereits außergewöhnlich, so setzt ihr Tod und was danach passierte noch einen drauf. Einbalsamiert und in einem Glassarg zur Schau gestellt, nach einem Militärputsch nach Europa entführt und unter falschem Namen in Mailand bestattet, sowie nach 21 Jahren wieder nach Buenos Aires überführt und in der Familiengruft beigesetzt. Der Grund dafür – die enorme beliebtheit von Evita war und ist vielen politischen Gegnern ein Dorn im Auge.





Was hat das jetzt alles mit der Suche nach Identität zu tun? Nach der erstmaligen Gründung der Stadt im Jahr 1536 war Buenos Aires über Jahrhunderte relativ unbedeutend. Erst mit der Unabhängigkeit Argentiniens zu Beginn des 19. Jahrhunderts gewann die Stadt an Bedeutung – zum Ende des Jahrhunderts war Buenos Aires die größte und reichste Stadt Südamerikas. Um diesen Reichtum zur Schau zu stellen, wurde den großen europäischen Vorbildern wie Frankreich, Großbritannien und Deutschland nachgeeifert. Das führte dazu, das viele der hier neu errichteten Gebäude einen Stil aufweisen, der in Europa schon längst nicht mehr „in“ war. So findet man hier in einem Block Häuser im Stil des Barock, Neoklassizissmus oder antiker griechischen Bauten. Manchmal wurde sogar versucht verschiedene Stile in einem Gebäude zu vereinen.
Eine verschachtelte Altstadt mit engen Gassen sucht man hier vergeblich. Viel mehr scheint es als wurde am Reissbrett eine Stadt entworfen, welche die architektonischen und kulturellen Highlights Europas in sich vereint. Und genau das macht Buenos Aires aus – dieser Mix aus Pariser Flair, einem Dialekt der an Italien erinnert und gleichzeitig modernen Hochhäusern wie in London oder Moskau, das habe ich sonst noch nirgendwo erlebt.